Für viele Beobachter war es nicht eine Frage ob, sondern wann Russland im Konflikt mit der Ukraine auf eine höhere Stufe der Aggression schalten wird. Schon seit längerer Zeit ist die Lage im Asowschen Meer angespannt. Immer wieder kam es in den vergangenen Wochen und Monaten zu gefährlichen Spannungen bzw. Schikanen von russischer Seite gegen ukrainische Handelsschiffe, aber auch gegen die ukrainische Marine (die nur aus ein paar Booten besteht). Zuletzt hatte Russland die Durchfahrt mit einem quergestellten Frachtschiff gesperrt. Die Straße von Kertsch verbindet das Asowsche Meer mit dem Schwarzen Meer. Über die Meerenge hat Moskau eine Brücke zur annektierten Halbinsel Krim gebaut. Die Besetzung der Halbinsel und der darauf folgende Anschluss an Russland entpuppt sich damit immer mehr als Angriff Moskaus auf die ukrainische Küste mit der wichtigen Hafenstadt Mariupol.
Die Stadt stand bereits zu Beginn des russischen Eroberungskrieges im Osten der Ukraine unter schwerem Beschuss. Erst die massiven Interventionen der westlichen Länder mit den folgenden Maßnahmen gegen die politische Führung Russlands führten zu einem Stopp des russischen Vormarsches. Nun scheint Moskau die Schlinge gegen die Region erneut enger ziehen zu wollen.
Gefährlich ist die Situation aus mehreren Gründen. Die russische Bevölkerung verliert zunehmend das Vertrauen in die Politik von Präsident Putin. Allerdings gelingt es der Propaganda des Systems Putin nach wie vor, bei der Bevölkerung eine Angst vor einer Einkreisung Russlands durch den Westen hoch zu halten. Diese nicht haltbare These wird auch in westlichen Ländern von den sogenannten Putin-Verstehern vertreten. Mit dieser Angst im Hintergrund scheint es für die Kreml-Führung nur logisch, von innenpolitischen Problemen mit kriegerischen Manövern gegen die Ukraine und den Westen ablenken zu wollen.
Russland hat unter Vladimir Putin sein Militär modernisiert. In großen Manövern wurde seit Jahren der schnelle Vormarsch in und durch Nachbarländer, also ein Angriffskrieg, geübt. Das russische Militär ist heute im Vergleich zu den Nato-Ländern deutlich stärker als es die Rote Armee in der Endphase der Sowjetunion war. Dazu kommt, dass das Bewusstsein über die Auswirkungen eines Krieges bei der Bevölkerung nicht mehr vorhanden ist. Sieht man von den Militärangehörigen und deren Familien, sowie den Familien jener Soldaten, die in Tschetschenien gefallen sind oder verwundet wurden, ab, so hat Russland selbst – ähnlich wie die meisten europäischen Länder – keine aktive Erinnerung mehr an einen Krieg. Keiner der vielen Kriege die Moskau seit Ende der Sowjetunion geführt hat, erreichte das russische Territorium selbst.
Angesichts der bevorstehenden Wahlen (Präsidentenwahlen und Parlamentswahlen) in der Ukraine im Jahr 2019 könnte die Aggression von Seiten Moskaus natürlich dazu führen, dass auch hier einzelne Kräfte versuchen die Lage für entsprechende Propaganda zu nutzen.
An all jene westlichen Politiker, die in den vergangenen Jahren von einer Normalisierung der Beziehungen zu Moskau geredet haben, die mit einer regen Besuchsdiplomatie versucht haben den Eindruck der Normalität zu erwecken, muss aber nun die Frage gestellt werden, wie man mit der neuerlichen Aggression Moskaus umgeht. Offenbar waren ja sämtlichen freundlichen Worte von Präsident Putin und seiner Regierung nur Ablenkungsmanöver. Mit Appeasement wird man Moskau nicht zur Einstellung seiner Aggression bringen. Dazu braucht es eine klare Strategie, die keine Schwäche zeigen darf. Denn jede Schwäche des Westens weiß Putin geschickt auszunutzen.
Der Artikel erscheint auch auf der Seite der Paneuropabewegung Österreich.
Der Artikel am nächsten Freitag wird der Frage nachgehen: Wie glaubwürdig ist Europa bzw. die EU?
Veröffentlicht am 30. November 2018.
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