Die Ukraine hat einen neuen Präsidenten: Volodymyr Zelensky. Die Enttäuschung über seinen Vorgänger Petro Poroshenko war wohl so groß, dass die Ukrainer mit einer überwältigenden Mehrheit entschieden haben, einem neuen Mann eine Chance zu geben. Seine größte außenpolitische Herausforderung wird wohl sein, die territoriale Integrität der Ukraine wiederherzustellen. Eine Aufgabe an der sein Vorgänger gescheitert ist. Allerdings hängt dieses Politikum ganz entscheidend von der Politik Moskaus aber auch anderer Mächte ab.
Der russische Präsident hat sehr rasch nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses reagiert, indem er den Bürgern in den von Russland besetzten Gebieten der Ostukraine die russische Staatsbürgerschaft angeboten hat. Kurz darauf hat er das Angebot noch erweitert, und allen Ukrainern die russische Staatsbürgerschaft angeboten.
Volodymyr Zelensky hat in seiner Reaktion darauf seinerseits das Angebot an die russischen Staatsbürger gemacht, doch die ukrainische Staatsbürgerschaft zu bekommen. Das könnte man nun als sportlichen Wettkampf der Systeme interpretieren, der durchaus interessante Aspekte mit sich bringt: Staaten nicht mehr als territoriale Einheiten, sondern Bürger entscheiden, unabhängig davon wo sie leben, welchem Staat und damit welchem politischen System sie angehören wollen. Die Ukraine hätte hier wohl das bessere System zu bieten.
Der Haken in dem konkreten Fall ist eher der, dass es bis jetzt nicht die geringsten Anzeichen dafür gibt, dass Moskau an einem sportlich fairen Wettkampf der Systeme interessiert sein könnte. Die grünen Männchen auf der Krim waren zwar sicher sportlich durchtrainiert, aber nicht, weil sie sportlich fair eine Auseinandersetzung führen wollten, sondern weil ihr Ziel war, mit Gewalt Fakten zu schaffen. Und nur unter diesem Aspekt darf man Putins Angebot betrachten. Die Instrumentalisierung russischer Bevölkerung in anderen Ländern durch Moskau spricht da eine ganz klare Sprache.
Anfang Februar verabschiedete das Präsidium der Paneuropabewegung Österreich ein Positionspapier zur Europawahl 2019. Ein Punkt in diesem Papier beinhaltet die unmissverständliche Forderung nach einer klaren europäischen Perspektive für die Ukraine (dazu gehört auch eine eindeutige Haltung gegenüber allen Kräften, die die Selbständigkeit der Ukraine durch militärische Aggression bedrohen), also die logische Folge aus dem Schlagwort „Paneuropa ist ganz Europa“, nämlich die Öffnung einer EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine.
Schon mit ihrer Revolution der Würde in den Jahren 2013/2014, die mehr als 100 Menschen das Leben gekostet hat, haben die Ukrainer ihre europäische Positionierung unterstrichten. Die Folge dieses Bekenntnisses war ein Aggressionskrieg Moskaus gegen Kyiv, in dessen Folge erst die Krim besetzt und dann annektiert, und danach ein Teil der Ostukraine – in einem blutigen Krieg mit deutlich mehr als 10.000 Toten – ebenfalls besetzt wurde.
Europa, die Europäische Union, hat mit der Beitrittsperspektive für die Länder des ehemaligen Ostblocks nach dem Ende des Eisernen Vorhangs eine Option in Richtung Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit eröffnet. Vor 15 Jahren, am 1. Jänner 2004, konnte auch eine Reihe dieser Länder der EU beitreten. Die Ukraine war damals weit von dieser Beitrittsperspektive entfernt. Allen Ländern, die der EU beigetreten sind, hat dieser Beitritt gutgetan, auch wenn es heute in einzelnen Ländern noch immer bestimmte Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit gibt. Man denke nur an die laxe Korruptionsbekämpfung in dem von Sozialisten (Sozialdemokraten) regierten Rumänien.
Nach wie vor sehen einige politische Akteure im Gebiet der heutigen Ukraine eine Art Zwischeneuropa. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen des vorigen Jahrhunderts bedeutete das Konzept Zwischeneuropa für diese Region eine Pufferzone zwischen einem gestärkten Deutschland und Russland (damals UdSSR). Die Folgen dieses Konzeptes sind bekannt. Es heute wiederzubeleben, und die Ukraine mit einer Neutralität in eine Pufferzone zwischen einem zusammenwachsenden Europa und einem neu erstarkten Russland zu drängen, wäre wohl das Schlechteste was man der Ukraine und Europa im Gesamten antun könnte. Es ist eindeutig und klar im Interesse eines geeinten Europa, die damit verbundene Zone der Freiheit der Sicherheit und des Rechts auch der Ukraine anzubieten. Die EU- Beitrittsperspektive für die Ukraine ist eine logische Folge der europäischen Einigung. Ohne die Ukraine ist Europa nicht vollständig. Ohne die Ukraine ist diese europäische Zone der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts nur ein Rumpf.
Vor 30 Jahren, am 19. August 1989, wurde mit dem Paneuropäischen Picknick die Chance auf ein tatsächlich geeintes Europa eröffnet. Vor 15 Jahren, am 1. Mai 2004, wurde mit dem Beitritt der ehemaligen Ostblockländer Slowenien, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Polen, Estland, Lettland und Litauen ein ganz wichtiger Schritt in diese Einigung gesetzt. Die EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine sowie die sechs Länder Südosteuropas, die noch nicht der EU angehören – Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo (ein Staat der noch auf die Anerkennung unter anderem durch die Ukraine wartet), Mazedonien, Montenegro und Serbien – ist also nur die logische Folge einer echten europäischen Einigung.
Populär ist diese Erweiterungspolitik derzeit in vielen EU-Ländern nicht. Aber die Bekämpfung des Populismus gehört wohl zu den größten Herausforderungen, mit denen die Europäische Union derzeit zu kämpfen hat. Aber wer will diesen Kampf gegen den Populismus schon aufgeben?
Bis zur Europawahl am 26. Mai werde ich in meiner Eigenschaft als Präsident der Paneuropabewegung Österreich einzelne Punkte aus dem Positionspapier der Paneuropabewegung kommentieren.
Der Artikel erscheint auch auf der Seite der Paneuropabewegung Österreich.
Veröffentlicht am 3. Mai 2019.
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