Verkehrte Vorzeichen

Während man in den USA den Eindruck gewinnen muss, dass das Land nach links rückt, glauben in Europa immer mehr Leute, Russland würde unter Putin zum Retter des Abendlandes werden.

Es ist schon interessant mit den US-Wahlen. Bei den Demokraten werden plötzlich Kandidaten akzeptabel, die vor vier oder acht Jahren bestenfalls eine humoristische Nebenrolle gespielt haben. Da gibt es einen Bernie Sanders, der noch im Jahr des Zusammenbruchs der Sowjetunion nach einem Besuch in Moskau bei einer Pressekonferenz erklärte, das kommunistische System in Russland sei wie das Paradies auf Erden. Er hat seine Einstellung seit damals auch nicht revidiert. Da gibt es eine Elisabeth Warren, die mit linkslinker Ideologie versucht, den Sozialismus im kapitalistischen Amerika als Konzept zu etablieren. Beide Kandidaten gehören zu den vier erfolgreichsten „Frontrunnern“ der demokratischen Partei. Natürlich profitieren sie dabei auch kräftig von den Fehlern der anderen Kandidaten, also der Farblosigkeit und Senilität eines Joe Biden, oder der Unerfahrenheit und Wertelosigkeit eines Piet Buttigieg.

Es ist bei der gegenwärtigen Zusammensetzung der US-amerikanischen Wählerschaft doch sehr zweifelhaft, ob die beiden Erstgenannten eine echte Chance auf die amerikanische Präsidentschaft haben. Derzeit schaut es so aus, als ob wir Donald Trump noch fünf Jahre in der Funktion des Präsidenten erleben werden.

Bemerkenswert ist aber zweifellos die Tendenz, dass in Amerika Kandidaten aus dem extrem linken Lager immer akzeptabler werden. Es ist aus der gegenwärtigen Perspektive gar nicht ausgeschlossen, dass in fünf oder neun Jahren ein sozialistischer Ideologe zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wird. Der erratische Regierungsstil eines Donald Trump könnte dazu sicher beitragen.

Was hätte dies für generelle Konsequenzen? Es wäre wahrscheinlich, dass auf der einen Seite die Ausgaben für das Militär drastisch eingeschränkt würden, und die Rolle der USA als Weltpolizist ein Ende finden würde. Andererseits würden die Sozialausgaben, und damit die Personal- und Produktionskosten massiv steigen und die Konkurrenzfähigkeit Amerikas gegenüber Ländern wie insbesondere China drastisch sinken. Der Wert des US-Dollars als Leitwährung wäre potenziell in Frage gestellt.

Gleichzeitig erleben wir aber in Russland das genaue Gegenteil. Die mächtigen Oligarchen verfolgen einen pseudo-kapitalistischen Kurs, wobei sie sich sowohl mit dem Staat als auch mit mafiösen, kriminellen Strukturen arrangieren. Der russische Präsident produziert sich als Retter des Abendlandes und fährt einen harten „konservativen“ Kurs. Er verteidigt vermeintlich Werte wie Familie und Kirche, und beruft sich dabei auf die Traditionen eines Zaristischen Reiches. Dass dabei „Kleinigkeiten“ wie Menschenrechte, freie Meinungsäußerung und persönliche Freiheit auf der Strecke bleiben, fällt dabei kaum ins Gewicht.

Hätte man den Europäern meiner Generation vor 20 oder 30 Jahren gesagt, dass wir möglicherweise erleben wie die USA eine starke Richtungsänderung hin zu einem sozialistischen Konzept durchmachen, keiner hätte es geglaubt. Gleiches gilt für einen Wandel Russlands hin zu einem nationalistischen, und vermeintlich werteorientierten Regime. USA geht links und Russland (vermeintlich) rechts, das hört sich nach Fiktion an, oder doch nicht?

Wo aber lässt dies uns Europäer? Beide Ideologien führen ins Extrem, wir haben dies über sieben Jahrzehnte mit der Konfrontation zwischen Nato und Warschauer Pakt erlebt. Es kann dies nur ein Aufruf für einen eigenständigen Europäischen Kurs sein, der klar marktwirtschaftlich orientiert sein muss, dabei aber die europäischen, traditionellen Werte nicht vergessen darf.

Und wenn Sie mich heute fragen, ob ich in 20 Jahren meine Enkel lieber in Princeton oder auf der Lomonossov Universität studieren sehen würde, dann würde ich mich zwar für die Vereinigten Staaten entscheiden, aber doch hoffen, dass sie Rom, Madrid oder Wien wählen werden.

 

Der Artikel erscheint auch auf der Seite der Paneuropabewegung Österreich.

 

Veröffentlicht am 24. Jänner 2020.

Weblog EN

Herausforderungen für eine zukunftsfähige Politik

Nach langen Regierungsverhandlungen dürfen die Österreicher auf eine konstruktive Politik zur Bewältigung der gegebenen Herausforderungen hoffen.

Read more >

Von der Ukraine lernen

Auf der Suche nach Beispielen für Reformen lohnt es sich immer wieder, etwas außerhalb der gewohnten Bahnen zu denken.

Read more >

Fehler der Geschichte nicht wiederholen

Stehen wir vor einer neuen Trennung Europas zwischen Ost und West?

Read more >

Europa braucht offene Binnengrenzen

So wichtig die innere Sicherheit ist, so wichtig sind auch offene Binnengrenzen innerhalb der Europäischen Union.

Read more >

Die Sehnsucht nach dem starken Mann

Politische Führungsqualität ist gefragt. Das enthebt aber den einzelnen nicht seiner persönlichen Verantwortung, die nicht an den Staat delegiert werden darf.

 

Read more >

Der böse Rechtsruck

Rechtsruck war eines der Schlagworte, das durch alle Nachrichten über die jüngsten Wahlergebnisse ging. Doch das rechts-links Schema greift nicht mehr.

Read more >

Liegst dem Erdteil Du inmitten!

Neben den innenpolitischen Reformen ist vor allem ein stärkeres und sichtbareres Engagement in europäischen Fragen wichtig für Österreich.

Read more >

Der Wahlsieger am 15. Oktober muss Österreich sein

Wer immer aber mit welchen Mehrheiten die Regierung der nächsten fünf Jahre für das Land stellt, wird mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen konfrontiert sein.

Read more >

Wir brauchen eine europäische Außenpolitik

Die Außenpolitik ist ein klassisches Element der staatlichen Souveränität.

Read more >

Mehr Parlamentarismus wagen

"Keine Besteuerung ohne Mitbestimmung" lautet eines der Schlagworte.

Read more >
Karl von Habsburg mit seiner Großmutter I.K.u.K.H. Kaiserin Zita von Österreich
Karl von Habsburg auf BlueShield Mission
Sanct Georgs Orden Umzug
Karl von Habsburg übernimmt die Standarte des KÖL als neuer Oberster Bandinhaber von seinem Vater Otto von Habsburg
KvH mit Ferdinand Zvonimir und einem Geistlichen
Karl von Habsburg mit seiner Frau Francesca und den drei Kindern
Otto von Habsburg und seine Frau Regina mit allen Kindern
KvH mit seinem Sohn Ferdinand Zvonimir im Rennstall

NACH OBEN