Fehler der Geschichte nicht wiederholen

Stehen wir vor einer neuen Trennung Europas zwischen Ost und West?

Nach der Wende des Jahres 1989, als der Eiserne Vorhang abgerissen wurde und sich die Länder Mittel- und Osteuropas aus der totalitären Herrschaft der Sowjetunion lösen konnten, war die Chance für eine echte europäische Einigung gegeben, wie sie von visionären Denkern wie Richard Coudenhove-Kalergi schon nach dem Ersten Weltkrieg angedacht wurde. Die Trennung Europas in zwei Teile, die Trennung in Ost und West, sollte überwunden werden. Der Begriff Mitteleuropa für jene Länder, die in einer historischen Verbindung zu Österreich standen, wurde immer wieder verwendet.

Diese optimistische Sicht scheint seit einiger Zeit verschwunden zu sein. Liest man heute Artikel über Ungarn, Polen, oder auch Bulgarien, so ist entweder von den Visegrad-Ländern (für die ersten beiden) oder von osteuropäischen Ländern die Rede, die in einem Gegensatz zu den westeuropäischen Ländern stehen. Das merkt man nicht nur in Berichten zur Migrationskrise, sondern auch wenn es um die Wirtschaft und den europäischen Binnenmarkt geht.

Eine der Ursachen dafür liegt in einer neuen Art der Abschottungspolitik vieler sogenannter westeuropäischer Länder, die längst begonnen haben, über vielfältige bürokratische Maßnahmen ihren kleinen Wirtschaftsraum schützen zu wollen. Ein Fehler, der schon in der Zwischenkriegszeit gemacht wurde und im Ergebnis Europa in eine neue Zerstörung geführt hat.

Unter dem Titel einer Anti-Dumping Regelung müssen beispielsweise Fahrer von Transportfahrzeugen ihre Gehaltsbestätigung mitführen, um nachzuweisen, dass sie einen westlichen Lohn bekommen. Das dient natürlich nur protektionistischen Maßnahmen und unterläuft die Dienstleistungsfreiheit, die seit den Römischen Verträgen zu einer der vier Grundfreiheiten und damit dem Kern einer europäischen Verfassung gehört.

Ähnlich protektionistisch ausgerichtet ist die Entsenderichtlinie, mit der geregelt wird, welche Löhne Unternehmen aus einem EU-Land ihren Mitarbeitern zahlen müssen, wenn sie in einem anderen EU-Land als dem, in dem sie ihren Sitz haben, einen Auftrag annehmen. In dieser Frage treffen sich Gewerkschaften, sozialistische Planwirtschaftler und die sogenannten Rechtspopulisten. Ihr aller Ziel ist die Abschottung eines nationalen Marktes. Wobei ein abgeschotteter „Markt“ nicht mehr die Kriterien eines Marktes erfüllt.

Mit einer derartigen Politik werden überwunden geglaubte Abgrenzungen wieder neu aufgebaut. Wer meint eine wirtschaftliche Entwicklung durch planwirtschaftliche Eingriffe gestalten zu müssen, hat die Lehren aus allen Beispielen einer Planwirtschaft nicht verstanden.

Diese Vorgangsweise drückt aber auch eine Überheblichkeit gegenüber den mitteleuropäischen Ländern aus, weil sie unterstellt, arme Menschen aus diesen Ländern würden kommen, um den Österreichern (und anderen Westeuropäern) die Arbeitsplätze mit Billiglöhnen wegzunehmen. Die Tatsache, dass beispielweise die Region um die slowakische Hauptstadt Preßburg (Bratislava) eine boomende Wirtschaftsregion ist, dass Tschechien eine ausgezeichnete wirtschaftliche Entwicklung vorzuweisen hat, wird dabei verdrängt. Diese Regionen könnten übrigens auch für österreichische Arbeitskräfte interessant sein. Zu den vier Grundfreiheiten gehört auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die Lehren der Zwischenkriegszeit zeigen, dass nicht Abschottung, sondern die Öffnung von Wirtschaftsräumen – und Mitteleuropa war vor 100 Jahren ein Wirtschaftsraum, in dem ein Arbeiter oder Handwerker aus der Slowakei oder aus Ungarn in Wien eine Arbeit annehmen konnte – Wohlstand schaffen.

Es wird Zeit, dass wir beginnen aus der Geschichte zu lernen!

    

Der Artikel erscheint auch auf der Seite der Paneuropabewegung Österreich.

 

Veröffentlicht am 17. November 2017.

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