Anfang Februar verabschiedete das Präsidium der Paneuropabewegung Österreich ein Positionspapier zur Europawahl 2019. Eine der Forderungen ist die Schaffung eines europäischen Grenzschutzes und eine Wiederöffnung der Binnengrenzen. „Europa den Europäern“ war bereits eine der Forderungen Paneuropas in der Anfangsphase der Organisation, also in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Konnte ein Mitteleuropäer einst ohne weitere Grenzkontrollen zwischen Czernowitz und Sarajewo reisen, wurden durch die Zerstückelung Mitteleuropas kleinräumige Grenzen errichtet, die nicht nur die Reisefreiheit der Bürger einschränkten, sondern auch den Warenaustausch im mitteleuropäischen Wirtschaftsraum. Die kleinräumige, protektionistische Abschottungspolitik brachte keine Lösung von Problemen, sondern vergrößerte sie nur.
Auch im Prozess der beginnenden europäischen Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg (bis 1989 nur im Westen Europas) wurden erst die vier Grundfreiheiten beschlossen und die Schaffung eines Binnenmarktes vereinbart, bevor man mit dem Schengen-Abkommen im Jahr 1985 daran ging, die Grenzkontrollen innerhalb der Schengen-Staaten abzubauen. Der erste Schritt wurde getan, aber schon beim zweiten Schritt siegten wieder die kleinstaatlichen Befindlichkeiten. Zwar wurden die Kontrollen an den Binnengrenzen abgeschafft, der gemeinsame Grenzschutz aber wurde von den Nationalstaaten verhindert. Dabei wäre es nur logisch gewesen diesen zweiten Schritt auch zu tun, da ja sonst die jeweilige Last des Außengrenzschutzes auf jenen Ländern lasten würde, die eben an der Außengrenze des Schengen-Raumes liegen. Und jeder Regierungschef hoffte wohl auf eine baldige Erweiterung dieses Schengen-Raumes, damit andere die Last des Schutzes zu tragen haben.
Als dann während der von Slobodan Milosevic begonnen Kriege in Südosteuropa die Flüchtlinge vor allem nach Österreich und Deutschland strömten, interessierte sich weder Italien noch Spanien für einen gemeinsamen Grenzschutz. Als dann Spanien zum Einfallstor für Migranten aus Afrika wurde, hatte wiederum Deutschland keine Veranlassung für einen gemeinschaftlichen Grenzschutz. Man schob das Problem vor sich her, bis es dann 2015 unübersehbar war. Ungarn wurde für die Grenzkontrollen an der Außengrenze gescholten, solange, bis dann Deutschland doch Grenzkontrollen zu Österreich einführte. Infolge begann Österreich mit Grenzkontrolle gegenüber Ungarn und Slowenien, die seither immer wieder verlängert wurden. Die Ausnahme wurde zur Regel, weshalb die Kommission auch meinte, diese Kontrollen an den Binnengrenzen sollten nun beendet werden.
Sogenannte Antieuropäer, Nationalisten und Populisten wagten die kühne Falschmeldung, die EU hätte im Grenzschutz versagt, und Regierungen, die aus sogenannten proeuropäischen Parteien gebildet wurden, hielten an den nationalen Grenzkontrollen fest. Propaganda obsiegte über politische Vernunft und Redlichkeit. Die Behauptung, die EU hat bei der Grenzkontrolle versagt, wurde dann sogar mit der Forderung verknüpft, die EU dürfe gar keine Kompetenzen für den Grenzschutz bekommen, das müsse nationale Kompetenz bleiben. Diese populistische Unfug-Ansage muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Wenn die EU keine Kompetenz im Schutz der Außengrenzen hat (und all jene, die den obigen Unfug verbreiten, wollen ja auch verhindern, dass die EU eine solche Kompetenz bekommt), kann sie dabei auch nicht versagen. Versagt haben die Nationalstaaten (auf deren Ebene laut den Unfug-Verbreitern die Kompetenz bleiben soll), eben weil sie es versäumt haben, rechtzeitig mit der Schaffung des Schengen-Raums auch den gemeinschaftlichen Grenzschutz zu schaffen.
Dass nun gerade jene Länder, die ein angebliches Versagen der EU kritisieren, den Aufbau eines tatsächlich europäischen Grenzschutzes verhindern, gehört zu den bedauerlichen Folgen eines nationalen Egoismus, der Europa genauso schadet wie eine Reihe von protektionistischen Maßnahmen, die unter dem Schlagwort eines sozialen Europa Schritt für Schritt gesetzt wurden.
Den europäischen Grenzschutz in einer neu zu schaffenden Institution der Innenminister zu organisieren, wie das nun einige Regierungspolitiker verschiedener Staaten fordern, ist keine echte Lösung. Es verschiebt das Problem nur von einer Institution in die andere, die nationalen und populistischen Blockaden können damit nicht verhindert werden.
Es wäre eine logische und sinnvolle Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips, den Grenzschutz europäisch zu organisieren, die Kompetenz dazu in der EU-Kommission anzusiedeln, und die entsprechenden Mittel aus dem Budget der EU zur Verfügung zu stellen. Aber wahrscheinlich liegt gerade darin einer der Widerstände verborgen. Denn die Mitgliedsländer wollen nicht mehr EU-Beiträge zahlen, das Problem wird durch den Brexit zusätzlich verschärft. Gleichzeitig aber wollen eine Reihe von EU-Ländern nicht auf ihre Dauersubventionierung verzichten. Will man bei einem gleichbleibenden Budget eine neue Aufgabe finanzieren, gibt es damit einen Interessenskonflikt zu den Umverteilungen.
So nachvollziehbar dieser Interessenskonflikt ist, so schädlich ist er. Denn kleinräumige Binnengrenzen stehen im Widerspruch zu den vier Grundfreiheiten, also genau jenen Maßnahmen, die man in den Römischen Verträgen verankert hat, um nicht wieder in die Fehler der Zwischenkriegszeit zu fallen. Darüber sollten einmal all jene nachdenken, die glauben, im Nationalstaat und in einer reinen Zusammenarbeit der Nationalstaaten fit für die Zukunft zu sein.
Bis zur Europawahl am 26. Mai werde ich in meiner Eigenschaft als Präsident der Paneuropabewegung Österreich einzelne Punkte aus dem Positionspapier der Paneuropabewegung kommentieren.
Der Artikel erscheint auch auf der Seite der Paneuropa Bewegung Österreich.
Veröffentlicht am 12. April 2019.
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